Emily saß in ihrem Zimmer und durchwühlte eine alte Kiste, die sie im Keller gefunden hatte. Staub bedeckte die Oberseite und ihre Finger hinterließen kleine Abdrücke, als sie den Deckel öffnete. Darin befanden sich alte Fotos, Briefe und verschiedene Erinnerungsstücke. Ganz unten entdeckte sie ein zerknittertes Stück Papier. Es war die To-Do-Liste ihres verstorbenen Großvaters.
„Was hast du denn da gefunden?“ fragte ihre Mutter, die gerade ins Zimmer kam.
„Das hier“, sagte Emily und hielt ihr das Papier entgegen. „Es ist Opa Karls To-Do-Liste.“
Ihre Mutter nahm das Papier vorsichtig entgegen und lächelte wehmütig. „Oh, das habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Dein Opa hatte immer große Träume.“
Emily betrachtete die Liste genauer. Da standen Dinge wie „einen Apfelkuchen backen“, „den höchsten Berg in der Umgebung erklimmen“ und „einen Drachen steigen lassen“. Sie fühlte eine Mischung aus Traurigkeit und Inspiration. „Weißt du was, Mama? Ich glaube, ich möchte Opa Karls Liste abarbeiten.“
Ihre Mutter schaute sie überrascht an. „Das ist eine wunderbare Idee, Emily. Es wird bestimmt ein Abenteuer.“
Am nächsten Tag begann Emily mit dem ersten Punkt auf der Liste: „einen Apfelkuchen backen“. Sie zog das alte Rezeptbuch ihrer Großmutter hervor und machte sich in der Küche breit.
„Brauchst du Hilfe?“ fragte ihr kleiner Bruder Tim neugierig.
„Klar, warum nicht?“, antwortete Emily lächelnd. „Du kannst die Äpfel schneiden.“
Gemeinsam arbeiteten sie, und die Küche füllte sich bald mit dem köstlichen Duft von frisch gebackenem Kuchen. Tim stibitzte ein kleines Stück Teig und grinste.
„Hey, das ist für den Kuchen!“ rief Emily lachend.
„Aber es schmeckt so gut!“, verteidigte sich Tim mit vollem Mund.
Als der Kuchen fertig war, saß die Familie zusammen am Tisch und genoss das Werk. „Das hat wirklich toll geschmeckt“, sagte ihr Vater zufrieden und klopfte sich auf den Bauch.
Emily fühlte sich stolz und glücklich. „Ein Punkt geschafft, viele mehr zu gehen“, dachte sie bei sich und nahm die Liste wieder zur Hand. Der nächste Punkt war „einen Drachen steigen lassen“.
Emily ging am nächsten Wochenende mit ihrer besten Freundin Sarah in den Park, um diesen Punkt anzugehen. „Ich habe schon ewig keinen Drachen mehr steigen lassen“, sagte Sarah, als sie den Drachen auspackten.
„Ich auch nicht“, antwortete Emily und hielt den Drachen in die Höhe. „Aber es wird Spaß machen.“
Die beiden Mädchen rannten über die Wiese, lachten und jubelten, als der Drache schließlich hoch in die Lüfte stieg. „Schau mal, wie hoch er fliegt!“ rief Emily begeistert.
„Fast so hoch wie unsere Träume, oder?“ fragte Sarah und grinste.
„Ja, genau so“, stimmte Emily zu und fühlte sich lebendig und frei.
Die folgenden Wochen waren gefüllt mit kleinen und großen Abenteuern. Emily probierte neue Rezepte aus, besuchte ein Museum und half sogar einem Nachbarn, seinen Garten in Ordnung zu bringen. Jede Erfahrung brachte ihr nicht nur Freude, sondern auch wertvolle Lektionen und Momente der Reflexion.
Eines Tages entschied sie sich, den Punkt „den höchsten Berg in der Umgebung erklimmen“ anzugehen. Sie wusste, dass dies eine Herausforderung sein würde, aber sie war entschlossen. „Ich werde es schaffen“, sagte sie zu sich selbst.
„Willst du wirklich diesen Berg besteigen?“ fragte ihre Mutter besorgt. „Er ist ziemlich hoch und du bist noch nie so weit gewandert.“
„Ja, Mama, das will ich“, antwortete Emily entschlossen. „Ich möchte Opa Karl stolz machen und mir selbst beweisen, dass ich es kann.“
Ihre Mutter lächelte und umarmte sie. „Ich glaube an dich, Emily. Pass gut auf dich auf.“
Am Morgen des Aufstiegs schnürte Emily ihre Wanderschuhe und machte sich auf den Weg. Der Pfad war steil und anstrengend, aber sie ließ sich nicht entmutigen. Immer wieder dachte sie an ihren Großvater und seine unvollendeten Träume. Das gab ihr die Kraft, weiterzugehen.
„Emily, warte auf mich!“ rief plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihr.
Sie drehte sich um und sah, wie Sarah keuchend den Weg hinaufkam. „Ich konnte dich nicht allein lassen“, sagte Sarah, als sie Emily erreichte. „Wir schaffen das zusammen.“
„Danke, Sarah“, sagte Emily mit Tränen in den Augen. „Du bist die beste Freundin, die man sich wünschen kann.“
Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort und halfen einander über schwierige Stellen. Als sie endlich den Gipfel erreichten, standen sie atemlos und stolz nebeneinander.
„Wir haben es geschafft!“ rief Sarah und warf ihre Arme in die Luft.
„Ja, das haben wir“, stimmte Emily zu und blickte über die weite Landschaft, die sich vor ihnen ausbreitete. „Opa Karl wäre stolz.“
Sarah legte einen Arm um Emily. „Er ist bestimmt stolz, Emily. Und ich auch.“
Auf dem Rückweg sprachen sie über ihre Träume und Wünsche. „Weißt du, ich möchte irgendwann einmal um die Welt reisen“, sagte Sarah.
„Das klingt fantastisch“, antwortete Emily. „Ich möchte vielleicht Schriftstellerin werden. Geschichten schreiben, die Menschen inspirieren.“
„Das wirst du bestimmt, Emily“, sagte Sarah überzeugt. „Du hast so viel zu erzählen.“
Die Wochen vergingen und Emily arbeitete weiter an der Liste ihres Großvaters. Jeder Punkt brachte ihr neue Erkenntnisse und half ihr, ihre eigenen Träume zu definieren und zu verfolgen. Sie lernte, dass es wichtig ist, mutig zu sein und Chancen zu ergreifen, selbst wenn sie beängstigend erscheinen.
Ein Punkt auf der Liste war „einen Tag im Tierheim helfen“. Emily meldete sich freiwillig und verbrachte den Tag damit, die Tiere zu füttern und mit ihnen zu spielen. Sie traf dort auf Ben, einen Jungen in ihrem Alter, der ebenfalls ehrenamtlich arbeitete.
„Hey, ich bin Ben“, stellte er sich vor, während er einem Hund Wasser gab.
„Hi, ich bin Emily“, antwortete sie. „Ich arbeite heute zum ersten Mal hier.“
„Das merkt man gar nicht“, sagte Ben lächelnd. „Du machst das großartig.“
Gemeinsam verbrachten sie den Tag damit, sich um die Tiere zu kümmern und erzählten sich gegenseitig von ihren Hobbys und Träumen. Emily fühlte sich wohl in Bens Gegenwart und genoss seine Gesellschaft.
„Es ist schön, dass du hier bist“, sagte Ben, als sie den Tag beendeten. „Die Tiere brauchen mehr Menschen wie dich.“
„Danke, Ben“, sagte Emily und lächelte. „Ich komme gerne wieder.“
Ein weiterer Punkt auf der Liste war „einen fremden Menschen glücklich machen“. Emily überlegte lange, wie sie das anstellen könnte. Schließlich beschloss sie, ihrer Nachbarin Frau Müller, die allein und oft traurig wirkte, eine Freude zu bereiten.
„Guten Tag, Frau Müller“, sagte Emily, als sie an ihre Tür klopfte. „Ich habe Ihnen einen Kuchen gebacken.“
Frau Müller öffnete überrascht die Tür und lächelte. „Das ist aber lieb von dir, Emily. Komm doch herein.“
Emily setzte sich zu Frau Müller und sie unterhielten sich lange über das Leben, die Vergangenheit und die kleinen Dinge, die Freude bereiten. Am Ende des Nachmittags sagte Frau Müller dankbar: „Du hast meinen Tag wirklich erhellt, Emily. Danke.“
„Es war mir ein Vergnügen“, antwortete Emily und fühlte sich erfüllt und glücklich.
So vergingen die Monate und Emily arbeitete sich Punkt für Punkt durch die Liste ihres Großvaters.
Jeder Punkt brachte ihr neue Erfahrungen und half ihr, das Leben in all seinen Facetten zu schätzen. Sie lernte, dass es nicht darauf ankommt, wie groß oder klein ein Traum ist, sondern dass man ihn lebt und ihn mit anderen teilt.
Eines Tages, als sie den letzten Punkt auf der Liste betrachtete, „einen Sonnenaufgang auf dem Gipfel eines Berges sehen“, wusste sie, dass dies ein besonderer Moment werden würde. Sie plante eine Wanderung mit ihrer Familie und Freunden, um diesen Punkt gemeinsam zu erfüllen.
„Bist du bereit, Emily?“ fragte ihr Vater, als sie sich früh am Morgen auf den Weg machten.
„Ja, Papa“, antwortete sie und fühlte sich aufgeregt. „Ich bin bereit.“
Der Aufstieg war anstrengend, aber Emily fühlte sich getragen von der Unterstützung ihrer Liebsten. Als sie den Gipfel erreichten und die ersten Strahlen der Morgensonne den Himmel erhellten, fühlte sie eine tiefe Dankbarkeit.
„Das ist wunderschön“, sagte ihre Mutter und legte einen Arm um Emily.
„Ja, das ist es“, stimmte Emily zu und spürte, wie Tränen der Rührung ihre Wangen hinunterliefen. „Danke, dass ihr alle mit mir hier seid.“
Sarah, Ben und Tim standen ebenfalls neben ihr und lächelten. „Wir sind stolz auf dich, Emily“, sagte Sarah.
„Du hast Opa Karls Träume wahr werden lassen und dabei deine eigenen gefunden“, fügte Ben hinzu.
„Und du hast uns allen gezeigt, wie wichtig es ist, das Leben zu genießen und unsere Träume zu verfolgen“, sagte Tim.
Emily fühlte sich erfüllt und dankbar. Sie wusste, dass dies nicht das Ende ihrer Reise war, sondern der Anfang vieler neuer Abenteuer. Mit dem Sonnenaufgang im Rücken und ihren Liebsten an ihrer Seite fühlte sie sich bereit, das Leben in vollen Zügen zu leben und jeden Moment zu schätzen.
„Lasst uns weiterträumen und unsere eigenen Listen schreiben“, sagte Emily lächelnd. „Denn das Leben ist zu kurz, um auf den perfekten Moment zu warten.“
„Das machen wir, Emily“, stimmten alle ein und sie begannen, ihre eigenen Träume und Wünsche zu teilen.
Emily schaute in die Ferne und fühlte sich frei und inspiriert. Sie wusste, dass sie nie aufhören würde, neue Ziele zu setzen und mutig zu sein. Denn das Leben war ein großes Abenteuer, das darauf wartete, entdeckt zu werden.
In diesem Moment fühlte sie eine tiefe Verbundenheit mit ihrem Großvater und all den Menschen, die sie auf ihrer Reise begleitet hatten. Sie hatte gelernt, dass es die kleinen und großen Dinge sind, die das Leben lebenswert machen, und dass es nie zu spät ist, seine Träume zu leben.
Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem Herzen voller Dankbarkeit nahm Emily die Liste ihres Großvaters und schrieb am Ende: „Getan. Danke für die Inspiration, Opa Karl.“
Sie steckte das Papier zurück in die Tasche und wusste, dass sie bereit war für alles, was das Leben ihr bieten würde.