Im zauberhaften Regenbogenpalast, der hoch über den Wolken thronte, lebte die schüchterne Junia. Ihr langes, silbernes Haar leuchtete im Sonnenlicht, und ihre Augen waren so tief und blau wie der Ozean selbst. Doch trotz ihrer Schönheit fühlte sich Junia oft allein und ausgeschlossen. Die anderen Kinder im Palast, die magische Kräfte besaßen, die Berge versetzen konnten oder die Zeit anhalten, sahen in ihr nur das stille Mädchen, das lieber Bücher über Magie las, als sie selbst zu praktizieren.
Eines Nachmittags, als die Sonne golden und warm über dem Regenbogenpalast stand, rief Königin Aurelia alle Kinder zusammen. „Meine lieben Kinder“, begann sie mit ihrer sanften, aber bestimmten Stimme, „heute Nachmittag werdet ihr eine besondere Reise zur versteckten Glitzergrotte unternehmen. Dort werdet ihr lernen, wie man mit den seltenen Pflanzen und Kräutern, die dort wachsen, magische Tränke braut.“
Die Kinder jubelten vor Aufregung, alle bis auf Junia, die unsicher am Rand der Gruppe stand. Sie fürchtete sich vor dem Gedanken, erneut ausgelacht oder ignoriert zu werden.
Als die Kinder sich auf den Weg machten, schlängelten sie sich durch den verzauberten Wald, dessen Bäume in allen Farben des Regenbogens schimmerten. Junia ging am Ende der Gruppe, den Kopf gesenkt und die Füße schwer wie Blei.
Plötzlich hörte sie eine tiefe, freundliche Stimme hinter sich. „Warum so traurig, kleine Freundin?“ Junia drehte sich um und sah einen großen, kräftigen Mann mit wildem, grünem Haar, das aussah wie Moos. Seine Augen strahlten eine Wärme aus, die Junia sofort faszinierte.
„Ich bin Krokus, der Kräuterkenner“, stellte sich der Mann vor. „Und wer bist du?“
„J-Junia“, stammelte sie, erstaunt darüber, dass jemand sie überhaupt beachtete.
„Junia, eine wunderschöne Name für ein wunderschönes Mädchen. Komm, ich zeige dir etwas“, sagte Krokus und führte sie abseits des Weges, tief in den Wald hinein.
Sie erreichten eine kleine Lichtung, in deren Mitte eine Fülle von seltenen Pflanzen und Blumen in leuchtenden Farben wuchs. Krokus begann, mit leuchtenden Augen über die Pflanzen zu sprechen. „Siehst du diese kleine, schüchterne Blume dort? Sie nennt sich Schattenherz. Unscheinbar, aber ihre Wurzeln können die mächtigsten Tränke der Wahrheit und Aufrichtigkeit brauen.“
Junia hörte fasziniert zu, als Krokus ihr von jeder Pflanze erzählte, ihre Geschichte und ihre Kräfte. Sie vergaß die Zeit und ihre Sorgen.
„Und jetzt, Junia“, sagte Krokus schließlich, „möchtest du lernen, wie man einen Trank braut?“
Mit funkelnden Augen nickte Junia. Gemeinsam sammelten sie die benötigten Pflanzen und setzten sich ans Werk. Unter Krokus‘ Anleitung braute Junia einen schillernden Trank, der in allen Farben des Regenbogens funkelte.
„Dieser Trank wird allen zeigen, wie schön Vielfalt sein kann“, erklärte Krokus. „Jeder hat seine einzigartigen Fähigkeiten und Talente. Es ist die Kombination dieser Talente, die wahre Magie erschafft.“
Als sie zur Gruppe zurückkehrten, trug Junia den Trank stolz in ihren Händen. Die anderen Kinder, die anfangs überrascht waren, Junia bei Krokus zu sehen, scharten sich nun neugierig um sie.
„Was hast du da, Junia?“ fragte eine der Kinder.
„Dies ist ein Trank der Vielfalt“, antwortete Junia mit einer neu gefundenen Zuversicht in ihrer Stimme. „Er zeigt uns, wie jeder von uns einzigartig und wertvoll ist.“
Mit ermutigendem Nicken von Krokus teilte Junia den Trank mit den anderen Kindern. Als sie ihn tranken, begannen sie, in leuchtenden Farben zu schimmern, jede Farbe repräsentierte ihre einzigartigen Fähigkeiten und Talente. Ein Gefühl der Einheit und des Verständnisses breitete sich unter ihnen aus.
Die Kinder umarmten Junia und entschuldigten sich für ihr vorheriges Verhalten. Von diesem Tag an wurde Junia als eine der ihren akzeptiert, nicht trotz ihrer Unterschiede, sondern wegen ihnen.
Später, als sie mit Krokus allein war, fragte Junia ihn, wie er so viel über Pflanzen und ihre Magie wusste. Krokus lächelte wehmütig. „Ich war einmal wie du, ein Außenseiter, der nirgendwo dazuzugehören schien. Doch die Natur nahm mich auf, lehrte mich ihre Geheimnisse. Durch sie fand ich meinen Platz in der Welt.“
Junias Augen füllten sich mit Tränen der Dankbarkeit. „Danke, Krokus. Du hast mir gezeigt, dass ich etwas Besonderes bin.“
„Nein, Junia“, sagte Krokus sanft, „du hast es selbst entdeckt. Ich habe dir nur den Weg gezeigt.“
Von diesem Tag an blieben Junia und Krokus enge Freunde. Sie teilten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit anderen, immer daran erinnernd, dass wahre Magie in der Vielfalt und in der Ehrlichkeit des Herzens liegt.